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Unzufriedene oder verantwortliche Mitarbeiter?

Vor allem in Organisationen mit hoher durchschnittlicher Betriebszugehörigkeit blüht der alltägliche Kleinkrieg im Verborgenen. Unbefriedigende Werte bei Mitarbeiterzufriedenheitsanalysen zeigen nur die Spitze des Eisbergs. Spontane Schätzungen wie viel Effizienz dadurch verloren geht, liegen über 30 %. Jedoch führen Lösungsversuche schnell zu einer Reihe scheinbar unlösbarer Dilemmata für alle Beteiligten, und enden schließlich in der Fortsetzung stillschweigender Duldung. Wer ist hier verantwortlich?

Der tägliche Kleinkrieg blüht im Verborgenen

Wer im Glashaus sitzt, sollte lieber nicht mit Steinen werfen. Deshalb ist es in Organisationen oft schwer, Informationen über die wahren Zustände an der Basis zu bekommen. DIejenigen an der Basis, die den Mut haben, in offiziellen Gesprächsrunden immer wieder auf Missstände in der Zusammenarbeit mit Kollegen aufmerksam zu machen, leben mit dem Risiko, irgendwann als Nörgler und Miesmacher abgestempelt und nicht mehr ernst genommen zu werden. Auf der anderen Seite bietet die schweigende Menge ausreichend Deckung für alle, die sich immer wieder inakzeptabel verhalten oder deren Arbeitsergebnisse inakzeptabel sind. Nur in vertraulichem Rahmen wird das wahre Ausmaß deutlich. Die Liste der folgenden Beispiele ist beliebig verlängerbar:
- Ungenaue, mangelhafte Zuarbeit
- Schleppende, zu späte Zuarbeit
- Streit um die Zuständigkeit
- Keine Unterstützung bei Knowhow-Fragen zur Behandlung von speziellen Geschäftsvorfällen
- Verweigerung von Veränderungen des eigenen Aufgabengebietes
- Abweisendes, unfreundliches Verhalten
Im vertraulichen Rahmen stellt sich zusätzlich heraus, dass es bei den genannten Fällen in der Regel um die gleichen Personen geht. Was geschieht in diesen Fällen? Meistens nichts. Die Gründe für die ausbleibende Reaktion sind genauso vielfältig wie die Anlässe. Keiner will gerne das Betriebsklima verschlechtern. Keiner will gerne seine Kollegen anschwärzen. Die meisten gehen lieber einem Konflikt aus dem Weg und schweigen. Daraus ergibt sich für die "schwarzen Schafe" folgende Schlussfolgerung: Es ist ok, wenn du so arbeitest und dich so verhältst, wie es dir am besten passt.

Die Ohnmacht der Führungskräfte

Mitarbeiter, die eine direkte Konfrontation vermeiden wollen, aber trotzdem etwas gegen Missstände in der Zusammenarbeit mit Kollegen unternehmen möchten, bleibt nur noch der Weg zum Vorgesetzten. Für den ist es jedoch schwer mit Fällen gut umzugehen, die er selbst nicht miterlebt hat. Handelt es sich dabei um einen Fall aus dem eigenen Bereich, bleiben ihm drei Möglichkeiten. (1) Den klagenden Mitarbeiter zu beschwichtigen und nichts zu unternehmen. (2) Ein Zweier-Gespräch mit dem problematischen Mitarbeiter oder (3) ein Dreier-Gespräch mit beiden Mitarbeitern zusammen zu führen. In einem Zweier-Gespräch ist es für den betreffenden Mitarbeiter leicht sich rauszureden, denn der Vorgesetzte hat nur den Bericht des anderen Mitarbeiters. Das Dreier-Gespräch kommt einer Gegenüberstellung gleich und beinhaltet das Risiko, dass nach dem Gespräch bleibende Schäden auf der Beziehungsebene zurückbleiben. Deshalb wird der Vorgesetzte dazu neigen, Variante (1) zu bevorzugen und zu beschwichtigen. Bei bereichsübergreifenden Beschwerden sieht es nicht viel besser aus. Der Vorgesetzte des Bereichs, aus dem die Beschwerde kommt, wird in diesem Fall die Beschwerde beim Leiter des Bereichs ansprechen, in dem die Beschwerde ausgelöst wurde. Letzterer wird im Hinblick auf die Möglichkeiten, die er hat, ebenfalls dazu neigen, den Kollegen zu beschwichtigen oder seinen Mitarbeiter in Schutz zu nehmen. Das heißt, sowohl bei bereichsinternen Fällen, als auch bei bereichsübergreifenden Fällen kommt es meistens zu keiner dauerhaften Verbesserung. Ein echtes Sisyphos-Problem mit hohem Frustpotential, sowohl bei den Mitarbeitern, als auch bei deren Vorgesetzten.

Typische Gründe sich nicht zu engagieren


Solange nur wenige mutige Mitarbeiter versuchen, an unbefriedigender Zusammenarbeit etwas zu ändern, sind die Chancen auf bleibende Verbesserung gering. Die vielen untätigen Kollegen fragen sich, warum sie sich engagieren sollen. Diese Frage entsteht aus zwei Haltungen dieser Mitarbeiter. Ein Teil von ihnen befindet sich in der Zuschauerrolle und erwartet, dass die Vorgesetzten für möglichst optimale Arbeitsbedingungen sorgen. Deshalb beschränkt sich ihr Handlungsspektrum im Wesentlichen darauf, sich im Kreis vertrauter Kollegen über die schlechten Umstände zu beklagen und sich, falls es ihnen wirklich zu viel wird, bei ihren Vorgesetzten zu beschweren. Der andere Teil der Mitarbeiter will sich nicht die Mühe machen, etwas zu unternehmen. Ihre Standardentschuldigungen für ihr Nichtstun lauten: Es ändert sich hier sowieso nichts, oder, ich möchte hier keinen Unfrieden stiften. Beide Haltungen stabilisieren den Ist-Zustand und zeigen vor allem, dass die Mitarbeiter sich nicht in der Verantwortung sehen, diesem Zustand zu verbessern und zweifeln daran, was es bringen könnte, sich zu engagieren.

Verantwortung an der Basis klar machen. Wie geht das?

Dies kann sich nicht durch Überzeugen, sondern nur durch Überdenken der eigenen Verantwortung, der eigenen Haltung und der eigenen Handlungsmöglichkeiten ändern. Am besten geschieht dies in kleinen Gruppen, in denen die Mitarbeiter die Möglichkeit bekommen, gemeinsam folgende Punkte durchzugehen:
- Weg vom allgemeinen  Beklagen, hin zur Nennung konkreter Fälle: Zuerst müssen alle dazu angehalten werden, vom allgemeinen Klagen über die schlechte Zusammenarbeit wegzukommen und konkrete Fälle aus den jüngsten Vergangenheit zu nennen. Dabei wird sich zeigen, um was es konkret geht und wie häufig es sich um Fälle unbefriedigender Zusammenarbeit handelt.
- Die Ohnmacht der Vorgesetzten erkennen: Ein gemeinsames Durchspielen der Möglichkeiten, eigene Beschwerden über die Vorgesetzten  zu adressieren, führt vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen sehr schnell dazu, dass sich Klarheit über die geringen Veränderungschancen dieses Vorgehens breit macht.
- Erkennen, wie jeder selbst dazu beiträgt, den unbefriedigenden Zustand zu stabilisieren: Diejenigen, die sich nicht trauen, die unbefriedigende Zusammenarbeit konkret bei den entsprechenden Kollegen anzusprechen, stabilisieren mit diesem Verhalten den Zustand, den sie selbst nicht möchten. Erst wenn sie erkennen, dass sie für die gewünschte Verbesserung selbst mit verantwortlich sind, erst dann werden sie anfangen, sich zu fragen, wie sie beim nächste Mal damit umgehen wollen.

Handlungsmöglichkeiten ausloten

Die Antworten, die auf diese Frage gefunden werden, sind so unterschiedlich, wie die Personen, um die es in dem jeweiligen Fall geht. Generelle Handlungsmaximen machen keinen Sinn. Jeder soll die Gelegenheit bekommen zu lernen, wie er selbst am besten mit seiner Verantwortung, unbefriedigende Zusammenarbeit zu adressieren, umgeht. Hier einige Beispiele:
- Einfach ansprechen, ohne gleich eine Lösung zu fordern: Der Satz "Ich finde dieses Verhalten/diese Zuarbeit inakzeptabel", ohne weitere Diskussion reicht. Er wirkt umso stärker, wenn die betreffende Person den Satz öfter und aus dem Mund von verschiedenen Kollegen hört.
- Angekündigte Rückgabe: Den Qualitätsmangel der Zuarbeit benennen und ankündigen, dass ab dem nächsten Mal eine Rückgabe mit Bitte um Verbesserung erfolgt.
- Mehrarbeit konkret aufzeigen: Unbefriedigende Zuarbeit ansprechen und zusätzlich objektive Fakten nennen, z.B., wie oft und wie viel Mehrarbeit dadurch entstanden ist.
- Mängelstatistik: Bevor man anfängt, mangelnde Zusammenarbeit zu adressieren, erst einmal konkrete Fälle notieren. Das schützt vor eigener Überbewertung von Einzelfällen und vor Vorurteilen gegenüber den betreffenden Kollegen.

Wie sieht eine unterstützende Rolle der Führung aus?

Damit dieses Vorgehen gelingt, muss die verantwortliche Führungskraft den entsprechenden Rahmen schaffen. Der Wunsch nach Verbesserung muss im Beisein aller Beteiligten ausgesprochen werden. Es müssen kleine Gruppen gebildet werden, die sich freiwillig mit der Verbesserung der Zusammenarbeit auseinandersetzen wollen. Diese Gruppen brauchen einen vertraulichen Rahmen, dürfen aber auch nicht im Verborgenen agieren. Das Wichtigste zum Schluss: Es muss im Beisein aller Beteiligten die Erlaubnis ausgesprochen werden, bei unbefriedigender Zusammenarbeit aktiv zu werden. Damit kann jeder seine persönliche Hürde besser überwinden und in Aktion treten.

Herausgeber & Copyright: Johann Leitl

 

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